30.05.2023 - von Gero
Kein Auslandssemester machen, weil es organisatorisch zu kompliziert wird und meine Lebensumstände teils dagegen sprechen? Diese Zweifel hatte ich mehrfach. Ich hoffe, ich kann dir zeigen, dass viele gedankliche Hürden unbegründet sind! So lief das bei mir:
Duisburg, 3. Master-Semester, Januar 2022. Mein Auslandssemester in Sevilla für das SoSe 2022 ist abgesagt. Schade, wäre wirklich schön gewesen. Aber leider überschneiden sich die Semester-Zeiten in Spanien mit denen in Deutschland. Stattdessen habe ich mich für ein Auslandssemester im WiSe 22/23 beworben. Meine Wunschstadt: Tarragona in Spanien. Richtig sicher bin ich mir damit noch nicht, denn ich würde mein Studium unnötig verlängern, könnte stattdessen schon meine Masterarbeit anfangen. Aber ich denke mir: „Hey, zur Not machst du es nicht, aber lässt dir die Möglichkeit offen über das Auslandssemester im Sommer zu entscheiden.“. Ein richtig guter Gedanke.
Als ich eine Zusage bekomme, freue ich mich riesig darüber! Auch noch ausgerechnet meine Wunschstadt Tarragona! Was mache ich bis dahin? Es hat sich für mich die Chance eröffnet, ein Praktikum in Frankfurt zu machen: 3 Monate von Juni bis August, eine neue Branche kennenlernen, das erste Mal aus dem Ruhrgebiet wegziehen, das erste Mal allein wohnen. Ich entscheide mich dafür.
Bevor ich nach Frankfurt ziehe, organisiere ich einiges für Spanien. Nach meiner Zusage Ende Februar gibt es Mitte März ein Online-Treffen vom International Office, in dem die organisatorischen Schritte für Studierende des AURORA-Programms erklärt werden:
Zuerst muss ich mich bei meiner Partner-Uni anmelden und dann ein paar Unterlagen abgeben. Dazu gehört das Learning Agreement, das wichtigste Dokument für Austauschstudenten. Das Learning Agreement ist die Vereinbarung zwischen der Partner-Uni und der Heimat-Uni darüber, welche Fächer du im Ausland studieren wirst. Dafür ist in der Regel eine Äquivalenzprüfung der Fächer über den jeweiligen akademischen Koordinator der UDE notwendig.
Im April und Mai kümmere ich mich um das Learning Agreement und werde vom International Office und meiner akademischen Koordinatorin sehr gut unterstützt. Nur der direkte Kontakt mit der Partneruni ist etwas chaotisch. Dass das bei vielen Erasmus-Studenten zur Normalität gehört, weiß ich zu dem Zeitpunkt nicht. Hier waren viele Sorgen von mir unbegründet!
Ab Anfang Juni werde ich von dem Leben in Frankfurt etwas überrollt. Der Alltagsstress lässt weniger Zeit und Nerven für die Organisation des Auslandssemesters übrig als erwartet. Außerdem belasten mich ein paar Dinge: etwas Heimweh, das Praktikum läuft wie erwartet und jemand in meiner Familie verstirbt. Ich fühle mich nicht mehr wohl in Frankfurt und überlege, ob ich mit diesen negativen Erfahrungen in einer neuen Stadt das Auslandssemester in Tarragona doch nicht besser absage: „Wie soll das werden, wenn ich viel weiter weg von zuhause lebe und es ähnlich schlecht läuft?“
Dazu kommen organisatorische Schwierigkeiten: Ich bekomme von der Partner-Uni in Spanien keine Antwort, das macht mich nervös. Ich müsste mein Learning Agreement ändern, da ich in Spanien lieber Sustainable Engineering studieren möchte! Die Uni in Spanien hat aber leider schon Sommerpause. Das Zeitfenster im Juni habe ich im ganzen Alltags-Gewusel in Frankfurt verpasst. Mist!
An diesem Punkt bin ich kurz davor, alles abzubrechen, aber ein paar gute Impulse machen mir Mut: Enge Freunde, die bereits ein Auslandssemester gemacht haben und mir von ihren einzigartigen Erlebnissen erzählen; ein Nachbar aus Frankfurt, der vor 10 Jahren zum Auslandssemester in Frankreich war und mir versichert, dass ich im Gegensatz zu Frankfurt dort viel einfacher Kontakte knüpfen werde; der Gedanke, dass die Chance auf ein Auslandssemester einmalig ist.
Also halte ich daran fest und bekomme Mitte August (1 Monat vor Semesterbeginn in Spanien) eine Antwort der Partner-Uni. Ich ändere mein Studienfach und passe so mein Learning Agreement an. Alles ist so weit geregelt. Alles?
Bis dahin habe ich noch keine Wohnung, aber die Partner-Uni in Spanien empfiehlt, dass man sich darum erst vor Ort kümmert. Seit ich Mitte August meinen Flug gebucht habe, drängt mich meine Family dann doch dazu, vorher eine Wohnung zu suchen. Nicht, dass ich auf der Straße schlafen muss… Im Nachhinein eine echt gute Entscheidung. Viele Erasmus-Studenten suchen sich erst vor Ort eine Wohnung und sind dadurch in den ersten zwei Wochen etwas gestresst. Natürlich bleibt mir das Restrisiko, dass ich bei einer Wohnung, die man nur online sieht, abgezogen werde.
In meinem Fall gibt es bei Facebook eine Gruppe für Erasmus-Studenten, dort lerne ich meine späteren Mitbewohnerinnen kennen. Wir finden ein schönes Appartment online und vereinbaren eine Online-Besichtigung für Anfang September. Ganz schön spontan alles! Die Wohnung wird über eine Agentur vermietet, was uns die Sicherheit gibt, dass der Vermietende seriös ist. Leider müssen wir der Agentur eine Provision in Form einer Monatsmiete zahlen, aber für diese Sicherheitsgarantie ist es uns das wert.
Mitte September geht es für mich dann nach Tarragona. Ein paar organisatorischen Dinge ändern sich später noch vor Ort, aber auch das ist ganz normal. Ohne, dass ich es weiß, erwartet mich eine wirklich schöne Zeit!
Was kann ich jetzt, ca. ein Jahr nach dem Umzug nach Frankfurt, rückblickend daraus schließen?
Viele Sorgen, die ich vor dem Auslandssemester hatte, haben sich als unbegründet herausgestellt. Gerade das Lebensgefühl in Spanien war sehr positiv, auch wenn ich vorher Zweifel daran hatte. Hätte ich mir selbst damals einen Rat geben können, hätte ich gesagt: Setz dich selbst mit der Organisation nicht so sehr unter Druck, denk in deinem Studium nicht so linear in Richtung Abschluss und projiziere deine negativen Erfahrungen von jetzt nicht auf das Auslandssemester!
Bei Fragen an Gero meldet euch unter auslandslotsen@uni-due.de.
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